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art-lab

Recap: Fear & Identity

Das art-lab fear & identity hat über fünf Tage teilweise 50 Künstler:innen aus den palästinensischen Autonomiegebieten und Deutschland sowie internationalen Gästen im digitalen Raum begegnen lassen. Wir haben diskutiert, debattiert und künstlerisch zu dem Themenkomplex Angst und Identität geforscht. Die Frage, ob internationale Kulturarbeit in Zeiten der Nicht-Mobilität überhaupt möglich ist, können wir nun getrost mit JA! beantworten.

Als am letzten Tag die Töne des Klaviers des Abschlusskonzerts von Elefant Bird mit Max Freytag verstummten und wir durch die verschiedenen kleinen Kästchen des Bildschirms in eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebens-Realitäten schauten, wurde kurz bewusst, wo jede:r eigentlich saß und was die letzten Tage alles passiert ist …

Unglaublich intensiv und persönlich haben Künstler:innen aus der Westbank, aus Gaza, verteilt aus ganz Deutschland sowie Gäste aus Uganda, Brasilien, Syrien und Belgien im digitalen Raum so offen und emotional über persönliche und gesellschaftliche Ängste und Identitäten diskutiert und künstlerisch gearbeitet, wie keine:r es für möglich gehalten hatte. Allen Befürchtungen zum Trotz hat das digitale art-lab fear & identity eine sehr berührende und persönliche Brücke zwischen den Künstler:innen geschaffen. Das Digitale entpuppte sich mehr als Segen denn als Fluch, da es wie eine Lupe die Menschen und ihre persönlichen Geschichten in den Mittelpunkt stellte. Nähe war zu spüren und Gedanken an Distanz kamen gar nicht erst auf.

Ausgehend von einer Icebreaking-Session, die von Abramz Tekya geleitet wurde, haben sich die Teilnehmenden am ersten Tag kennengelernt und gemeinschaftlich Community Goals erstellt. Das Etablieren eines „safe space“ stand im Vordergrund, da wir uns dem sensiblen Themenkomplex offen, persönlich, künstlerisch und diskursiv nähren wollten.

Eindrückliche Impulse und eine anregende Diskussion lieferte der Input von Bebê de Soares am Nachmittag, die über die Notwendigkeiten der fair cooperation im internationalen künstlerischen Kontext referierte. Abschließend gab George Ibrahim eine Übersicht der palästinensischen Kulturszene, von den 30er-Jahren bis heute anhand des Al Kasaba Theaters und biographischer Elemente der Teilnehmenden durch Dekaden der beständigen und allen Widerständen trotzenden Kulturarbeit geführt.

Am zweiten Tag stieß der Autor Martin Schäuble, ausgehend von seinen dystopischen Romanen, eine Diskussion an, die eher pessimistisch die noch kommende Menschheitsgeschichte beleuchtete. Einblicke in kreative Schreibprozesse und das Benennen aktueller Missstände durch die Transformation in die nähere Zukunft und in das „Science-Fiction-Genre“ hat die Teilnehmenden zu aktuell-dystopischen Szenarien denken und arbeiten lassen.

Khader Rasras hat mit seinem profunden Vortrag am dritten Tag den Künstler:innen Einblicke in die Traumaforschung eröffnet. Anhand seiner langjährigen Arbeit beim TRP (Treatment and Rehabilitation Center for Victims of Torture in Palästina) und als renommierter klinischer Psychologe wurden wissenschaftliche Aspekte in den Vordergrund gestellt und die Teilnehmer:innen zu einer tiefgreifenden Diskussion inspiriert. In dem Kreativlabor am Nachmittag wurden diese auf den Prüfstand gestellt und der Versuch unternommen, wie mit vermeintlich „schweren“ Themen künstlerisch und ästhetisch umgegangen werden kann.

Die inhaltliche Arbeit wurde am vierten Tag thematisch fortgesetzt und um den Aspekt der Körperlichkeit durch den Vortrag von Raffaela Then vertieft und diskutiert. Trauma und Heilung durch Körper-Arbeit wurde im Kreativlabor der Tänzer:innen durch den Aspekt der Architektur ergänzt und „Orte der Angst“ vorgestellt. Die Teilnehmenden konnten in einer offen angeleiteten Tanz-Session eigene Erfahrungen hierzu sammeln.

Der letzte Tag stand unter dem Motto zukünftiger Projekte. Der thematische Exkurs in die Geschichte der palästinensischen kulturellen Identität und den aktuellen Ängsten der unter Besatzung lebenden palästinensischen Bevölkerung wurde am Vormittag eindrücklich referiert durch Mohammed Shaheen.

Ausgehend hiervon wurde die Pitch-Session am Nachmittag als Ideenbörse für zukünftige Kooperationen gehandhabt. Eine Vielzahl von Ideen konkurrierten um die Teilnehmenden und es fanden sich verschiedene Konstellationen zusammen, die abschließend einen ersten Einblick in die zu erwartenden Arbeiten öffentlich präsentierten.

Den Abschluss fand das digitale art-lab fear & identity in einem berührenden Konzert von Elefant Bird, das die sich allmählich abmeldenden Personen musikalisch untermalte ...aber gehen wollte eigentlich keiner.

Ein gelungener Auftakt der palästinensisch-deutschen Kulturbrücke und ein erfolgreiches Kick-off-Event, das noch (künstlerische) Folgen haben wird … bridgeworks under construction!

Zitate von Teilnehmer:innen

"…I needed a day off to actually collect my thoughts and emotions! Now I want to say Thank You! I felt so much more connected to this world than I have ever felt before and I will keep this precious experience in my heart. I will do my best to make this seed grow into future, hope, energy, visions, actions and art." — Josefine Patzelt

"During these days together I felt I was sitting infront of a mirror not a screen, it was like a window to my soul...it was the first time in my life that I had a group experience without any misunderstandings, angry situation or any other unpleasant situation or energy! I couldn’t imagine we could speak so broadly about fear and identity, and the lectures or talks that we had awakened our own experiences and when we shared them we delved into these subjects in a way broader and deeper than the expectations I had before the lab." — Tamara Habash

"This was a mindblowing experience and I wanna thank you all very much!" — Tilman Strauß

"Thank you very much for all the moments, laughs, emotions, experiences, thoughts, stories, words, silent moments, energy, support and smiles. Was such a great experience." — Abdallah Damra

"Thank you for this intense encounter with all of you. My perspective has broadened, my hearts been touched and I am left with many thoughts and questions, ideas and inspiration to dwell on. I guess the only question left is: When, where and how will we come together again to bring all this information and insights and energy into artistic fruition?!" — Lou Strenger